Thomas Podhostnik im Gespräch

Welche Bedeutung hatte das Studium am Leipziger Literaturinstitut für Dich und Dein Schreiben?

Das Literaturinstitut war für mich sehr wichtig, weil ich aus einem Arbeitermilieu stamme und das Institut für mich die einzige Möglichkeit war, mich anerkannt mit Literatur zu befassen. Ich wurde dort aufgrund meines Schreibens ernst genommen, nicht aufgrund meiner Herkunft. Ich habe es damals als sehr divers empfunden.

Es war für mich vorher undenkbar, zu studieren und gleichzeitig zu schreiben. Ich habe damals kein Bafög bekommen, ich hatte das Gefühl, das Land fördert mich nicht, sondern hindert mich eher, also bin ich nach dem Abitur, um studieren zu können und zu schreiben erst mal ins Ausland gegangen, nach Kuba, weil es günstiger für mich war, dort zu studieren.

Ich konnte es mir leisten, dort zu schreiben, ich konnte es mir aber zum Beispiel nicht leisten, an der Universität Konstanz zu studieren, zu arbeiten und zu schreiben. Vor allem, wenn ich aus einem Gerechtigkeitsgefühl heraus denke: gleiche Voraussetzungen für alle – aber wenn man sechs Stunden arbeitet am Tag und dann noch studiert, wann soll man dann schreiben? Deswegen war die Möglichkeit, in Leipzig mit dem Schreiben ein Studium abzuschließen, toll.

Wie kam es zu Deinem Studium in Kuba?

Ich habe geschaut, wo man was studieren kann, und dort wurden künstlerische Studiengänge angeboten. Und ich hatte Hemingway gelesen.

Ich bin davor mit einem Freund um die Welt getrampt, direkt nach meiner Lehre. Ich habe das Geld, das ich gespart hatte, direkt für eine Weltreise verwendet. Das hat mir die Augen über die Welt geöffnet, es hat mir die Kleinheit meiner Existenz vor Augen geführt, das war für mich eine sehr wichtige Erfahrung. Danach dachte ich sofort, ich muss noch mal auf die Schule, das Abitur machen, mich weiterbilden, und wollte danach wieder weg.

 

Was mich dort wirklich fasziniert hat, war, dass man dort Theaterstücke mit nichts gemacht hat. Ein Kassettenrecorder, eine Schnur und dann irgendwie „The Tempest“ aufführen.

 

Kuba war eine sehr gute Erfahrung, sehr ambivalent. Ich habe dort so eine Art Ausbildung zum Regieassistenten am Theater National Havanna gemacht. Allein die Grundlagen, die ich dort vermittelt bekommen habe, die Dramaturgie, fand ich sehr lehrreich und das hat mir Selbstvertrauen gegeben, so dass ich, als ich zurückgekommen bin, nicht mehr wie vorher in Fabriken gearbeitet habe. Mein Studium in Havanna habe ich mir vorher ein Jahr lang in einer Gießerei in Singen mit sehr anstrengender, aber auch sehr gut bezahlter Arbeit verdient.

Als ich aus Kuba zurückgekommen bin, war mein erster Impuls, wieder zurück in die Gießerei zu gehen und dann dachte ich mir, du kannst Spanisch, du hast einen Abschluss und ich habe mich in einer Medienproduktionsfirma beworben und einen anderen Weg eingeschlagen. Auch aufgrund dessen hatte ich den Mut, mich in Leipzig zu bewerben.

Bis auf einen Kubaner war ich beim Studium nur unter Mexikanern, das Leben dort ist viel prekärer, aber auch sehr kreativ. Was mich dort wirklich fasziniert hat, war, dass man dort Theaterstücke mit nichts gemacht hat. Ein Kassettenrecorder, eine Schnur und dann irgendwie „The Tempest“ (Shakespeares „Der Sturm“ – Anm. d. Red.) aufführen. Es war wirklich toll. Das Bühnenbild war eben eine Taschenlampe. Und das ist eigentlich Theater: Stimme, Raum, Ausdruck, eine gute Dramaturgie – und nicht 500.000 Euro im Hintergrund. Geld kann Kreativität töten.

Was hast Du noch am Deutschen Literaturinstitut mitgenommen?

Erstens, dass man geerdet wird. Man kommt hin und denkt, ich schreibe, sonst niemand. Dann merkt man: Aha, sehr viele schreiben. Jeder hat seinen eigenen Ansatz, manche sind viel kreativer als man selbst, also können Dinge, die man selber überhaupt nicht kann. Dafür kann man andere Sachen. Also dieses Herunterbrechen auf Literatur als ein Handwerk. Es gibt überhaupt einen Werkstoff, den Text als Werkstoff, den man behandeln muss. Dass die Idee, die man von dem Text hat, noch lange nicht die Ausführung oder der Text selbst sind und dass alles, was man fühlt beim Schreiben, vielleicht gar nicht da steht und jemand, der es liest, vielleicht etwas ganz anderes empfindet, weil es nicht so ausgeführt wurde, um das zu erzeugen, was man sagen wollte. Das ist ein wichtiger Prozess, den man am Institut zu meiner Zeit mitbekommen hat.

Ich fand den Ansatz von Hans-Ulrich Treichel in den Seminaren sehr angenehm moderierend. Da sehr gezielt einen Hinweis zu geben und die Studenten selbst überlegen zu lassen, was da vielleicht schief sein könnte oder richtig. Die direkte Förderung der Autoren, also der Bezug zu Verlagen, fiel eher spärlich aus. Wenn dann Lektoren oder Kritiker da sind und man noch jung ist, gibt es den Impuls, den Bückling zu machen. Es gab DozentInnen, die das durch ihre seriöse Art unterbunden haben.

Wie bist Du in Leipzig gelandet?

Ich bin 2000 oder 2001 zur Aufnahmeprüfung nach Leipzig gefahren mit einem Freund, wir sind durch die Stadt und fanden, dass es eine tolle Stadt ist. Ich dachte: Ich glaube, hier bleib’ ich. Damals war hier ja wirklich noch deutlich weniger los, die Häuser waren leer, es hat mich an Havanna erinnert, alles Fassade, alles irgendwie kaputt, die Straßen kaputt, kaum Menschen, Bäume wuchsen aus Häusern.

Ich habe das Studium und den Umzug dann noch ein Jahr aufgeschoben. Ich hatte einen tollen Job am Bodensee, und eigentlich ging es mir dort gut, aber Leipzig und die Freiheit und das Schreiben haben mich dann doch überzeugt, das Studium zu beginnen. Ich bin auch immer noch sehr gern in dieser Stadt, auch wenn das Meer fehlt.

Wie kam damals der Impuls zur Weltreise?

Weg! Weg! Weg! Am Bodensee ist es auch sehr schön, aber seit ich ein Buch gelesen hatte oder selbst denken konnte, wollte ich bloß weg.

Es sollte auch keine Weltreise werden, wir wollten weg und sind irgendwann wieder zurückgekommen.

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