Thomas Podhostnik im Gespräch

Ist Leipzig Deine Heimat?

Einen Heimatbegriff habe ich nicht. Ich fühle mich sehr schnell überall wohl. Heimat ist, wo die Leute sind, die ich mag, und manchmal reicht es mir, wenn ich mit denen per Laptop kommuniziere, dazu noch einen Kaffee. Ich genüge mir sehr stark selbst.

Wenn ich „zuhause“ sage, meine ich damit Leipzig, meine Wohnung vor allem, und dieses Grundgefühl, hier sehr liebe Menschen zu kennen. Andererseits: Wenn ich an den Bodensee fahre, denke ich auch ab der Hälfte: Ich fahre nach Hause.

 

Das Gastarbeitermilieu ist eben ein eigenes. Das ist kein nationales Milieu, das ist eher eine Zwischenwelt. Das sind Leute, die von irgendwo weggegangen und woanders nicht angekommen sind – oder nicht ankommen mussten. Dieses Milieu hat etwas nomadenhaftes, das ist mir näher.

 

In Slowenien war ich zu wenig. Meine Eltern wohnen da wieder, nach der Rente sind sie nach Slowenien gezogen. Davor war dort nur ein Teil meiner Großeltern , vor denen hatte ich als Kind aber eher Angst, als dass ich es als Heimat empfunden hätte. Das war ein richtiger Bauernhof, mein Opa hat eine blaue Schürze getragen, meine Oma hat eine blaue Schürze getragen, Schweinen wurde der Hals durchgeschnitten, die Hühner wurden getötet, direkt bevor wir sie gegessen haben. Ich komme aus einer Kleinstadt, ich habe morgens Nutella und Kakao bekommen und dort kam kuhwarme Milch mit Haaren drin auf den Tisch, das hat mir Angst gemacht.

Für mich war Jugoslawien (als ich klein war, war es ja Jugoslawien und nicht Slowenien) das spannendere Land. Ich glaube, wenn das nicht so schrecklich auseinandergefallen wäre, hätte ich einen stärkeren Bezug zu Jugoslawien gehabt. Dieser ganze Multikulti-Gedanke in Jugoslawien hat mir sehr gefallen. Slowenien ist auch interessant, aber eher klein und nett. Ich bin da immer wieder gern, aber der Bezug ist nicht so stark vorhanden. Da habe ich einen größeren Bezug zu der Familie von Gastarbeitern aus Slowenien, die in Deutschland lebt. Das Gastarbeitermilieu ist eben ein eigenes. Das ist kein nationales Milieu, das ist eher eine Zwischenwelt. Das sind Leute, die von irgendwo weggegangen und woanders nicht angekommen sind – oder nicht ankommen mussten. Dieses Milieu hat etwas nomadenhaftes, das ist mir näher.

Ich gehöre zur zweiten Generation der Gastarbeiter und ich kann Slowenisch sprechen, habe aber nie Slowenisch schreiben gelernt. Meine Eltern haben das nicht mehr für nötig erachtet, als wir in Deutschland waren. Und dieses Aufkommen von Nationalgefühlen bezüglich Slowenien oder anderer Ländern wie es jetzt bei der dritten Generation der Gastarbeiter vorkommt, ist bei mir nie aufgetaucht.

Für dich war klar, dass Du in Deutsch schreibst?

Ich habe die slowenische Sprache auch in den Texten drin, aber so wie ich sie erlebt habe: als eine Sprache, die Eltern und Verwandtschaft sprechen, nicht als Sprache, die ein ganzes Land spricht.

Meine Eltern haben Slowenisch-Deutsch gesprochen, wobei das Deutsch am Bodensee Alemannisch ist, das Deutsch, was sie gelernt haben, war dialektal gefärbt. Das ist fast schon Schwyzerdütsch und mit dieser Mischung wurde mit meinen Geschwistern und mir gesprochen, lustigerweise haben wir als Kinder Hochdeutsch gesprochen. Als ich in die Schule kam, war ich einer der wenigen, die Hochdeutsch sprachen, der Großteil sprach einen anderen Dialekt oder dieses Alemannische.

Wann hast Du die Entscheidung getroffen, Schriftsteller zu werden?

Sehr früh, mit 12, dann habe ich es wieder vergessen, und dann wieder mit Anfang 20. Mir war bewusst, dass man sich ausdrücken muss in dieser Welt, das ist etwas Elementares, das gehört zum Ich-Sein dazu. Ich glaube, das hing damit zusammen, dass ich als Kind sehr viel gelesen habe. Ich war kaum draußen, ich hockte entweder vorm Fernseher oder las etwas oder war im Kino. Ich habe damals keine Kinderbücher gelesen, sondern alles, was ich in die Hände bekommen habe, und da waren viele tiefgreifende Gedanken enthalten und die habe ich ernst genommen.

Ich hatte einen Büchereiausweis und habe die Bibliothek leer gelesen. Ich war kein guter Schüler, ich habe auch ständig geschwänzt oder war krank, ich war lieber zuhause oder am See und habe gelesen, das war viel produktiver. Mit meinem Vater war ich jeden Samstag im Kino, als ich klein war, meine Einflüsse waren verschiedenste Narrative. Ich habe damals auch viele Theatertexte gelesen von Schiller und Shakespeare, habe Tennessee Williams gemocht. So was haben wir in der Realschule nicht gelesen, dort wurde Dürrenmatt behandelt oder „Nachts schlafen die Ratten doch“ von Wolfgang Borchert.

Bücher sind ja wie Spiegel, wenn man in einen reinschaut und ihn langweilig findet, dann liegt es meist nicht nur am Text.

Es ist schade, dass Lehrer oft nicht vermitteln können, warum ein Text zur Hochliteratur zählt, warum er schön ist. Meistens merkt man, dass die Lehrer selbst schon deshalb keine Lust haben, weil der Text nicht jugendgerecht oder zu altmodisch ist, und das führt dazu, dass man nicht vermittelt, dass die Texte etwas Aufrührerisches haben. Das Interessante ist ja, dass die Texte, die man liest, extrem aufrührerische Texte sind und in Deutschland diese Bedeutung haben, weil sie im Ausland diese Bedeutung haben. Wenn man sich die französische oder russische Literatur anschaut, die beziehen sich auf Schiller oder Kleist und verhalten sich dazu.

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